Tallinn – Ausflüge und Abschied
(Von Christa)
Samstag, 14. Juli
Es ist Samstag Nachmittag, ein warmer Sonnentag. Michael möchte arbeiten. Ich gehe in Kalamaja, wo wir wohnen, zum Hafen runter und zum Strand. Alles was Beine hat und die Sonne liebt, ist hier unterwegs. Der Strand ist nur schmal und voller Steine. Ich wundere mich, wieviele Menschen hier Platz haben. Es wird gespielt, gepicknickt, gebadet und die Musik dazu gibt das Meer, das durch die vielen Schiffe mit kleinen Wellen den Strand belebt.
Ja, Schiffe sind viele unterwegs und die Queen ist eine wunderschöne Dreimastbark in voller Segelmontur. Majestätisch zieht sie nahe am Strand vorbei (leider hab ich den Photo zu spät geholt) und läßt alle anderen Segler klein erscheinen. Zwei Kreuzfahrtschiffe begegnen einander und dann rattert ein Hubschrauber über unsere Köpfe hinweg und landet auf dem Platz der Linnahall.
Ich liebe diese Strandatmosphäre, bei der das Meer den Ton angibt, vom Geschrei der Möwen begleitet, und die Sonne, die Steintrümmer und Mauerreste überstrahlt.
Tallinn (Gedicht)
Waren es wirklich vier Wochen
vier Wochen Tallinn ?
So lang und doch so kurz…..
Hunderte neugierige Menschen, Kinder, Jugendliche –
Begegnungen, Wiedererkennungen von Barcelona, Staunen –
Vorträge, die neue Fragen aufwerfen
in den Pausengesprächen.
Die Stadt mit den vielen Türmen,
Kirchen, Plätzen, alten Gemäuern,
verfallen und neu gestaltet
zu Museen, Wohnhäusern oder einfach nur
Geschichts-Erinnerungen.
Wir bummeln durch die Altstadt.
Nicht die schön gestalteten Touristenplätze ziehen uns an,
es sind die engen dunklen Gassen,
schmalen Tordurchgänge,
wo es die gemütlichen Cafés gibt
mit Blick auf versteckte Kleinodien,
Häuserfronten mit geschmückten Giebeln,
winzigen Nischen, Balkonen,
wo gerade ein Stuhl Platz hat.
Irgendwoher erklingt Musik,
ein Mädchen mit einer Geige
vor einem der Torbögen.
Aus einer entfernten Gasse wehmütige Klänge.
Zwei Russen mit Ukrainischen Banduras
und leisem Gesang
berührend – hingebungsvoll.
Ganz anders der kleine Junge mit dem Akkordeon,
temperamentvoll, fröhlich, als würde er nichts anderes tun!
Zwischen den Häusern immer wieder Parks,
alte Bäume, schattige Alleen,
ungewöhnliche Blumenkreationen, Düfte
und ein Parkwächter.
Und dann die Abendsonne
auf den Türmen, den Dächern, den alten Mauern,
und besonders auf den einen Kirchturm,
den mit dem hohen Kupferdach,
auf das die tiefe Sonne
die buntesten Farben hervorzaubert…..
Bis alles verblaßt
und wir verwundert durch die Nacht heimgehen.
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Der Kadriorg Park
Der Kadriorg Park ist eine besonders schöne Anlage östlich von Tallinn ganz nah am Meer. Einer sehr lieben Tallinnerin, die dort arbeitet, lag es am Herzen, uns den Park zu zeigen. Sie hat uns abgeholt und mit ihren Zwillingen ein Stückchen -bis zum Spielplatz – durch den Park begleitet. Die alten, z. T. verwachsenen Bäume haben uns besonders gefesselt, Wiesen mit wilden Blumen und dann der Japanische Garten. Hier gibt es viel Wasser, Ruhesteine und wunderschöne Blumen – eine meditative Stimmung. Danke an Katriin!!
An unserem letzten Tag in Tallinn haben wir den Park noch einmal aufgesucht, zur 300-Jahr-Feier mit Höhepunkt eines Konzertes auf der Freilichtbühne. Alle Plätze einschließlich Mauern waren längst besetzt, es herrschte eine lockere fröhliche Stimmung. Es war ein klassisches Programm mit überwiegend russischen Komponisten und guten Solisten, die enthusiastisch beklatscht wurden. Das war für uns ein guter Abschluß!
Die Pirita Tee
Gleich hinter dem Park läuft die Pirita Tee entlang, die breite Prachtstraße/ Promenade zum Olympiazentrum mit dem Olympia-Jachthafen. Die Fußgängerpromenade führt direkt am Ufer entlang. Ab und zu gibt es einen schmalen Sandstrand. Auf der gegenüberliegenden Seite sieht man die Sängerfestwiese, wo alle 5 Jahre das große Sängerfest stattfindet mit bis zu 30 tausend Sängern auf der Bühne – ein Nationalereignis für die Esten. Etwas weiter taucht der Engel auf, die Russalka, ein Denkmal für die Seeleute des untergegangenen russischen Panzerschiffes Russalka. Und dann noch ein mächtiges Ehrenmal für die gefallenden Soldaten des 2. Weltkrieges.
Mich interessierten der Yachthafen, die Segelboote, die ehemalige Olympia-Atmosphäre. Aber der Hafen war durch Baustellen unzugänglich. Enttäuscht liefen wir zurück – der Blick auf die wunderschöne Kulisse der Stadt entschädigte uns.
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Ausflug zum St. Bridget’s Convent und zum Jägalla-Wasserfall
Das St. Brigitten Kloster liegt außerhalb von Tallinn Richtung Osten hinter dem Pirita-Fluß. Es ist ein alter Kraftort aus dem 15. Jahrhundert und nur noch eine Ruine, aber dennoch von einem magischen Zauber umgeben. Die alten Mauern des Klosters und der Kirche sind begehbar. Ihr Ausmaß und ihre Schönheit sind auf dem Video von Michael gut zu sehen.
Danach sollte uns das Navi zum Jägalla-Wasserfall führen. Stattdessen landeten wir auf der Halbinsel bei einem ungewöhnlichen kleinen Land-Restaurant. Ein Garten voller Pflanzen und Käutern, von denen sich einige später in unserem Salat wiederfanden, ein Spielplatz mit Waldsofa und Schaukel – eine wunderbare stille Oase!
Hier zeigte man uns den Weg zum Wasserfall – die nächste Überraschung. Von einer großen Wiese aus stiegen wir viele Stufen hinunter, um von unten auf das herabstürzende Wasser zu schauen. Hier unten – angeregt von dem wilden Wasser – spielen Kinder, balancieren auf den wackeligen Steinen und Jugendliche toben direkt unter dem Wasserfall. Ein fröhliches ausgelassenes Miteinander – und wir teilen es mit ihnen.
Ganz anders der 2. Wasserfall. Er soll größer, aufregender sein, hat aber jetzt nur einen dünnen Wasserstrahl, der unseren Blick in 30 Meter Tiefe zieht.
Vergeblich suchen wir nach dem Klippen-Wanderweg – alles verwildert und zugewachsen. Später am Strand überall Steine, Steine und viel altes Baumholz, z. T. große Stämme, auf denen Kinder im Wasser Floß spielen. Diese Stämme sind wohl alle von den Klippen heruntergestürzt und haben sich am Strand zu merkwürdigen Gebilden aufgebaut.
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Die Viru Bogs
Einen Nachmittag haben wir uns Zeit genommen, um in die Sümpfe zu fahren. In Estland und besonders um Tallinn herum gibt es viele Sümpfe, die sich selbst überlassen bleiben und naturgeschützt sind.
Auf dem Weg dahin – viele Blaubeeren, die köstlich schmecken! Schnell hatten wir blaue Mäuler und Hände. Dann ging es auf die Holzstege. Zu beiden Seiten kleine Tümpel, Sumpfpflanzen, ungewöhnliche Insekten und Kleingetier. Diese werden auf witzig gemalten Info-Tafeln angekündigt, um unsere Aufmerksamkeit zu schulen. Mittendrin ein Aussichtsturm, der das Ausmaß dieser Landschaft sichtbar macht.
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Die nächtliche Rummu Paddeltour
Ein besonderes Erlebnis war in der letzten Woche die nächtliche Paddeltour. Der Weg dahin ging mit einem Extra-Bus, der Fahrer mußte die Einfahrt zum See erst suchen, dann wurden wir freundlich empfangen und erhielten eine Einweisung. Der See war ursprünlich ein Steinbruch, der Baumaterial für ein Kloster lieferte. Später, in der Sovietzeit, mußten Schwerverbrecher dort arbeiten. Um den Steinbruch trocken zuhalten, waren große, schwere Pumpen notwendig. Ein Stromausfall legte schließlich die Pumpen lahm, gleichzeitig gab es starke, langanhaltende Regenfälle, die den Tagebau sehr schnell füllten. Die Pumpen wurden nie wieder in Gang gesetzt und vieles auch geplündert – und so enstand (in groben Zügen) der Rummu-See. Teilweise sind die Gebäude und Anlagen noch unter der Wasseroberfläche zu erkennen.
Die Boote hatten eine Beleuchtungsanlage, die bei Dunkelheit – ca. 23 Uhr – eingeschaltet wurde und ermöglichte, in die Tiefe des Sees zu schauen. Was wir da erkannten, war erstaunlich: zunächst Pflanzen und Sträucher, dann ganze Bäume und schließlich die alten Gemäuer. Je dunkler es wurde, desto ausgelassener gaben sich die Teijnehmer der 5 Boote – kleine Wettrennen und auch mal ein kühles Bad. Es hat Spaß gemacht!!
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Die Closing Party am Samstag, den 21. Juli
Die Mindvalley Leute lieben Parties, jeden Samstag gab es eine jeweils an einem anderen spektakulären Ort. Die letzte war als Kostümparty ausgeschrieben und fand im Seaplane Harbour statt, im Lennusadam, dem Meeresmuseum, dem ehemaligen Wasserflugzeughangar. Es ist ein Großbau von spektakulärer Architektur ähnlich wie die Linnahall – beide im Kalamaja Viertel.
Schon im Außengelände stehen viele alte Schiffe, ehemalige Kriegsschiffe und der dampfbetriebene Eisbrecher Suur Töll mit zwei dicken Schornsteinen. Aber auch moderne Segler große und kleine. Wir sind abends oft hierüber gelaufen – eine eigenartige Stimmung von alt und neu !
Am Party-Abend war das Museum für uns bis 22 Uhr geöffnet. Es ist eine riesige Halle mit aufregenden Geschichten über Estlands maritime und militärische Geschichte, als Höhepunkt ein großes begehbares U-Boot. Mich interessiete mehr die Entwicklung der Segelschiffe, die großen Drei- und Viermaster, aufgezeichnet mit ihrer oft spannenden Geschichte und ihrem Untergang.
Die Party war inzwischen in vollem Gang mit ohrenbetäubender Musik, der man im hinteren Teil der Halle ein wenig ausweichen konnte. Natürlich gab es einige verrückte Einlagen Kostümierter: “Huch, wer ist denn das schon wieder??”, eine Kostüm-Modenschau und eine Akrobatik-Einlage von unglaublicher Geschicklichkeit und Kraft, aber auch Charme und faszinierender Beweglichkeit. Zwischendrin konnte sich jeder auf der Bühne darstellen, je nach Temperament, Phantasie und Mut !! Man wollte bei wilden Tänzen erkannt oder auch nicht erkannt werden und die Stimmung wurde immer ausgelassener wie das auf Partys eben so ist !!
Wir sind am Wasser entlang zu Fuß nach Hause gegangen, tief und glücklich die Seeluft und die Stille einatmend.
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Der letzte Abend
bei einem Glas Wein
auf der Terrasse am Hafen mit Blick über das Meer.
Es ist ein Abschied,
ein Abschied von Tallinn und von der Mindvalley University.
Warum gerade jetzt und wohin ??
Immer wieder Fragen, Spiegelungen, magische Momente…
wie die Sterne der Milchstraße,
die sich nach Mitternacht zeigen,
bevor es Tag wird.
Ein Wunder der Natur, des Kosmos, der Schöpfung.
Und unser Leben ?
Ein Wunder der Entfaltung, der Liebe,
des Wachsens und Vertrauens
in die eigenen Kräfte
und das Wirken der Natur in und um uns.
Wir schauen in die Abendsonne
über das stille Meer – und wissen,
gemeinsam gehen wir den Weg weiter
in unser Leben, zu uns selbst.